Das Projekt „Tricks of the Trade. Feldforschung mit SchülerInnen“ arbeitete in den Schuljahren 2008/09 und 2009/10 mit der Kooperativen Mittelschule Pfeilgasse zusammen. Ziel des Projektes war ein mehrfaches: Es ging darum, zu untersuchen, ob und wie Sozialforschung mit Jugendlichen einer Kooperativen Mittelschule durchgeführt werden kann; darum, die Anwendbarkeit partizipativer Sozialforschungsmethoden auf die Zielgruppe Jugendliche zu erproben; und schließlich darum, in der Vermittlungsarbeit Felddaten zu sammeln, um die Verschränkung der Kategorien Geschlecht, Klasse und Ethnizität in der Wissenschaftsvermittlung an Jugendliche zu untersuchen.
Zwischen Forschung und Vermittlung
In der Arbeit im Feld überschnitten sich also die Rollen der Sozialwissenschafter/innen: Das junge Forschungsteam fungierte sowohl als Vermittler/innen sozialwissenschaftlichen Wissens bzw. als Coaches eines sozialwissenschaftlichen Forschungsprozesses als auch als soziologische Beobachter/innen von Vermittlungs- und Forschungsprozessen.
In der Arbeit mit partizipativen Sozialforschungsmethoden ist es notwendig, die Wünsche, Bedürfnisse und Vorstellungen der Co-Forscher/innen – in diesem Fall also der Schüler/innen – zu hören und zu berücksichtigen. Diese bestimmten in der Folge die Forschungsfragen und weitgehend auch die dazupassenden Designs. So wurde anstelle von Frontalunterricht und großen Gruppendiskussionen in der 16-köpfigen Klasse (10 Buben, 6 Mädchen) bald auf Kleingruppenarbeit umgestellt.
Von „Park und Graffiti“, „Liebesorte in der Schule“ und „Chatten von Jugendlichen“ ...
Denn schon bald hatte sich das Reden über und Darstellen von Forschung als „fad“ herausgestellt und die Wissenschafter/innen nahmen den Wunsch der SchülerInnen ernst, vom Reden zum Tun zu gelangen. Es bildeten sich drei Schüler/innen-Forschungsprojekte zu den Themen „Park und Graffiti“, Liebesorte in der Schule“ und „Chatten von Jugendlichen“ heraus. Interessanterweise, aber für diese Altersgruppe wenig überraschend, waren die Gruppen vorerst strikt in eine Buben- und zwei Mädchengruppen getrennt – was sich später ändern sollte. In den Gruppen wurden Exkursionen durchgeführt, teilnehmende Beobachtungen erprobt, Feldnotizen erstellt, Interviews durchgeführt und Fotodokumentationen erstellt. Auch interpretative Verfahren wie das theoretische Kodieren (Glaser/Strauss 1998) wurden in einer für die Jugendlichen passenden Form eingesetzt. Zum Abschluss des Projekts „Chatten von Jugendlichen“, das interessante Fragen nach transnationaler Kommunikation, dem Spiel mit Identitäte(n) im Internet und dem Chatroom als Liebesort aufwarf, wurde gemeinsam mit dem „Schülerradio“ eine Sendung über das Chatten von Jugendlichen gestaltet.
Sowohl für die Jugendlichen als auch die Wissenschafter/innen stellte die Zusammenarbeit ein gegenseitiges von einander Lernen dar: Die Wissenschafter/innen erfuhren viel über die Lebenswelt der 11-14 Jährigen Schüler/innen mit großteils „migrantischem Hintergrund“, über ihre Sichtweisen, Interpretationen. Die Schüler/innen wiederum lernten neue Möglichkeiten kennen, um über die eigene gesellschaftliche Positionierung zu reflektieren.
... zu „Migration“, „Berufsbild WissenschafterIn“ und „Fußball“: Woran Schüler/innen forschen
Im Schuljahr 2009/10 wurde der Modus der Zusammenarbeit von zweiwöchtentlichen Treffen in der Schule auf eine einwöchige Projektwoche umgestellt. In dieser wurde – wieder in Kleingruppen – zu drei Themen intensiv gearbeitet und geforscht. Die Ergebnisse wurden dann im Laufe des Sommersemesters gemeinsam mit den SchülerInnen ausgewertet, dokumentiert, in der Schule präsentiert und schließlich für die Projekt-Homepage unter der Adresse www.tricksofthetradeproject.info aufbereitet.
Die Projekte des 2. Jahres beschäftigten sich mit den Themen „Migration und Grenzen“, „Beruf und Forschung“ sowie „Fußball“. Wieder wurden viele – teils kurzfristig organisierte – Exkursionen und Interviews durchgeführt, gesammelte Informationen dokumentiert und diskutiert. Dafür wurden Fragebögen mit einfachen quantitativen Mitteln erstellt und ausgewertet, eigenständige Recherchen durchgeführt und Begriffeboxen angelegt. Auch Momente eines vermeintlichen Scheiterns wurden produktiv genutzt. So begannen sich Mädchen der Gruppe „Fußball“, frustriert von der Erkenntnis, dass Fussball Buben-Sache sei, mit dem Thema „Frauen und Fußball“ zu beschäftigen, recherchierten zu dem Thema, interviewten eine Fussballerin und einen Kulturwissenschafter und stellten Bezüge zwischen den einzelnen Interviews zu Rassismus und Sexismus im Fußball her.
Das Forschen beforschen: partizipativer Co-Research
Eine der Herausforderungen partizipativer Sozialforschung im Bereich der Wissenschaftsvermittlung ist es, neben dem Durchführen von Forschungsprojekten mit Kindern und Jugendlichen im Rahmen des „Systems“ Schule, diesen Prozess gleichzeitig auch noch zu erforschen. Dabei waren die Schüler/innen keine „passiven“ Studienobjekte sondern Partner/innen in der Produktion von Datenmaterial. So konnten Ergebnisse hinsichtlich vier Themen erzielt werden, zu denen die SchülerInnen maßgeblich beigetragen haben.
Ergebnisse
In Bezug auf Intersektionalität im Bildungssystem (und die Frage, wie im Schulalltag „Bildungsferne“ konstruiert wird), auf Wissenschaftskommunikation an Jugendliche (besonders in Hinblick darauf, wie sozialwissenschaftliche Methoden und Frageweisen erprobt werden können) sowie auf die Methodendiskussion in den Sozialwissenschaften (zur Frage, wie partizipative Forschungsprozesse gestaltet und durchgeführt werden können), brachte das Projekt interessante Ergebnisse hervor, die auf Konferenzen vorgetragen und in Fachjournalen publiziert wurden. Auch hinsichtlich der Frage, wie Schüler/innen-Forschungsprojekte designt werden können, welche Tools und Methoden es gibt, wie Ergebnisse gesichert und „zyklisch“ geforscht werden kann, hat das Projekt rund um die Soziologin Dr. Veronika Wöhrer eine Vielzahl an Erfahrungen und Empfehlungen hervorgebracht, die in einer „Trickkiste“ zusammen gestellt wurden . Diese sind auf der Projekt-Homepage öffentlich zugänglich. Letztlich bildete die Partizipation der Schüler/innen das Kernstück des Projekts „Tricks of the Trade“ – eine Vorgangsweise, die viel Zeit, Aufmerksam und Flexibilität bedarf, dafür aber mit einer Vielzahl an Ergebnissen und neuen Erfahrungen sowohl in der sozialwissenschaftlichen Forschung als auch in der Wissenschaftsvermittlung entschädigt.
Projektleitung:
Veronika Wöhrer
MitarbeiterInnen:
Doris Harrasser, Bernhard Höcher, Karin Schneider, Sabine Sölkner
Koordination:
Alexander Martos
Projektpartner:
Institut für Europäische Ethnologie, Universität Wien (Elisabeth Timm), Akademie der bildenden Künste Wien (Agnieszka Dzierzbicka), Institut für Organisationsentwicklung (Georg Zepke) sowie die KMS 8
Gefördert von:
SparklingScience / BMWF
Leider ist unsere Projekthomepage, die bis vor kurzem unter dem Link http://tricksofthetradeproject.info zu finden war gehackt worden. Die gesamte Homepage konnte leider nicht mehr hergestellt werden, aber hier sind einige wichige Elemente daraus. Auf der Seite, die die Jugendlichen gestaltet haben, wurden einige der Forschungsgruppen genauer dargestellt. Unter anderem der von den Jugendlichen verfasste Einleitungstext sowie einzelne Ergebnisse aus den Forschungsgruppen "Beruf und Forschung", "(Frauen)Fußball" und "Grenzen und Migration". Die graphische Gestaltung und die Effekte, die die Jugendlichen gemacht und ausgewählt haben, sind leider nicht mehr reproduzierbar, aber einzelne Dokumente können hier downgeloadet werden